Fett  Teil 5

Lipoproteine und Arteriosklerose

Das eigentliche Problem bei den Herzkreislauferkrankungen ist nicht das Cholesterin selbst, sondern die Transporter, welche das Cholesterin im Blut befördern: Die Lipoproteine. In diesem Artikel erklären wir die wichtigsten Blutfettwerte, wie den Cholesterinspiegel, das LDL- und HDL-Cholesterin, sowie die Triglyceride. Wir besprechen die großen Risikofaktoren und wie diese begünstigt werden. Zum Schluss gehen wir den Vorgang, der zur Arteriosklerose und schließlich zum Herzinfarkt führt, Schritt für Schritt durch. Dabei wirst du alles brauchen, was du bis jetzt in diesem Kurs gelernt hast!

Es gehört zu den wesentlichen Eigenschaften von Fettstoffen, dass sie sich nicht in Wasser lösen und es abstoßen. Unser Blut besteht nun aber zum größten Teil aus Wasser. Wie kann man Cholesterin und Fette überhaupt gescheit darin transportieren?
Dieses Problem löst der Körper mit den sogenannten Lipoproteinen. Ein Lipoprotein kann man sich wie eine Transportkapsel vorstellen. Nach innen ist sie fettlöslich, damit sie Stoffe wie Cholesterin und Fettsäuren binden kann. Nach außen ist sie aber wasserlöslich, damit sie gut im Blut schwimmt.

Zu den Zeiten von Ancel Keys wusste man noch nicht besonders viel über diese Lipoproteine. Auch die Arteriosklerose hatte man noch nicht einmal im Ansatz verstanden. Man konnte lediglich den Cholesteringehalt des Blutes bestimmen und versuchte daraus seine Schlüsse zu ziehen.

Heute kennen wir aber den tatsächlichen Vorgang, der zu den Cholesterinablagerungen in den Blutgefäßen führt: Das Cholesterin befindet sich an Bord der Lipoproteine. Also sind es auch die Lipoproteine, die in Gefäßwände eindringen. Auf diese Weise gelangt das Cholesterin überhaupt erst in die Gefäßwand und kann in der Folge dort stecken bleiben.

Das eigentliche Problem ist also nicht das Cholesterin selbst, sondern vielmehr die Lipoproteine! Was bringt die Lipoproteine dazu, sich in die Blutgefäßwände zu verirren? Dieser Frage versuchen wir in diesem Artikel genauer auf den Grund zu gehen.

Übrigens kann man mit diesem Thema lange Kapitel in einem Medizinbuch füllen. Die Arteriosklerose ist ein hochkomplexer Vorgang, den wir noch längst nicht vollständig verstanden haben. Dabei spielen viele komplizierte Details eine Rolle, die ich hier nicht alle besprechen kann. Bitte behalte also im Hinterkopf, dass ich die Dinge sehr stark zusammengefasst und vereinfacht wiedergebe. Es geht mir vor allem darum, dass man ein gutes Verständnis für das Grundproblem entwickeln kann.

LDL und HDL

Für den Transport von Cholesterin sind vor allem zwei Lipoproteine zuständig, deren Namen du mit Sicherheit schon einmal gehört hast: Das LDL und das HDL. Das Kürzel “LDL” steht für Low Density Lipoprotein (Lipoprotein mit geringer Dichte). Das “HDL” steht dagegen für High Density Lipoprotein (Lipoprotein mit hoher Dichte).

Das LDL bringt das Cholesterin zu den Zellen. Nicht vergessen: Cholesterin ist ein lebenswichtiger Stoff, der überall im Körper gebraucht wird. Das LDL ist sozusagen der Lieferservice für Cholesterin.

Das HDL spielt in diesem Sinne die Rolle der Müllabfuhr. Es sammelt überschüssiges Cholesterin im Körper ein und bringt es zur Leber zurück, wo es entsorgt werden kann.

In der Medizin findet man nun schnell heraus, dass es nur die LDL-Transporter sind, welche in die Gefäßwände eindringen. Daher werden sie erst einmal als gefährlich eingestuft. Die HDL-Transporter haben dagegen sogar eine Schutzwirkung und können Cholesterinablagerungen verhindern.

Blutwerte und Risikofaktoren

Nehmen wir an, du gehst für einen Check-Up zum Arzt. Du hast eine Blutuntersuchung gemacht und hast jetzt dein Blutbild vorliegen. Darin findest du auf jeden Fall immer deinen Cholesterinspiegel aufgeführt. Der Cholesterinspiegel gibt die Gesamtmenge an Cholesterin an, die sich gerade an Bord von allen Lipoproteinen im Blut befindet.
Ab einem Wert von über 200 mg/dl würde sich dein Arzt langsam Sorgen machen. Für viele Menschen steigt ab diesem Wert das Risiko für Herzkrankheiten rein statistisch an. Daher muss man sich jetzt anschauen, auf welche Lipoproteine sich diese Cholesterinmenge genau verteilt. Dazu wirft man einen Blick auf das LDL- und HDL-Cholesterin.
Das LDL-Cholesterin steht für die Cholesterinmenge, die sich nur an Bord der LDL-Transporter befindet. Dementsprechend ist das HDL-Cholesterin die Cholesterinmenge, die nur in den HDL-Transportern unterwegs ist.

Ein hoher LDL-Cholesterinwert (über 180 mg/dl) wird als gefährlich angesehen. Auf der anderen Seite möchte man auch keinen zu niedrigen HDL-Cholesterinwert haben (unter 35 mg/dl bei Männern und unter 45 mg/dl bei Frauen).

Das Verhältnis zwischen LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin wird heute als der wichtigste Risikofaktor angesehen: Je höher das LDL-Cholesterin und je niedriger das HDL-Cholesterin, desto stärker steigt das Risiko für Arteriosklerose an. Das Verhältnis von LDL zu HDL ist dabei sehr viel aussagekräftiger als der Gesamtcholesterinspiegel.

Schauen wir uns jetzt einmal an, wie sich die Ernährung auf die einzelnen Blutwerte auswirkt: Die gesättigten Fettsäuren lassen den Gesamtcholesterinspiegel ansteigen. Dabei erhöhen sie aber sowohl das LDL-Cholesterin, als auch das HDL-Cholesterin.

Das Verhältnis zwischen LDL und HDL bleibt also relativ ausgewogen, was das Risiko für Arteriosklerose nicht erhöht. Das könnte eine gute Erklärung dafür sein, warum man den gesättigten Fettsäuren letzten Endes auch nur ein schwaches Risiko in den Langzeitstudien nachweisen konnte.

Die ungesättigten Fettsäuren können den Gesamtcholesterinspiegel senken. Dabei sinkt vor allem das LDL-Cholesterin, während das HDL-Cholesterin jedoch leicht ansteigt. Dadurch wird das Verhältnis also deutlich verbessert.

Außerdem haben die mehrfach ungesättigten Omega-3 Fettsäuren einen besonders positiven Effekt. Aus ihnen werden zusätzlich die Omega-3 Eicosanoide gebildet, die dem ganzen Prozess der Arteriosklerose an vielen Stellen entgegenwirken können.

Daher hat uns Professor Willett im letzten Artikel auch empfohlen, die gesättigten Fettsäuren eher einzuschränken (aber ohne zu viel Angst vor ihnen zu haben), und durch eine Mischung aus einfach- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu ersetzen. Dadurch wird das Verhältnis von LDL zu HDL am meisten verbessert.

Die trans-Fettsäuren verhalten sich dagegen besonders schädlich. Sie erhöhen das LDL-Cholesterin und senken gleichzeitig das HDL-Cholesterin. Keine andere Fettsäure tut das! Darüber hinaus haben sie viele weitere schädliche Effekte und zählen heute zu den größten Risikofaktoren für Arteriosklerose.

Auch Kohlenhydrate wirken sich auf den Cholesterinspiegel aus. Eine kohlenhydratreiche und fettarme Ernährung senkt den Gesamtcholesterinspiegel. Dabei fällt sowohl das LDL-Cholesterin, als auch das gute HDL-Cholesterin ab. Das Verhältnis von LDL zu HDL wird dadurch nicht verschlechtert, aber auch nicht verbessert.
Allerdings können Kohlenhydrate für einen kräftigen Anstieg des Triglyceridspiegels sorgen. Klären wir noch einmal kurz, was hinter diesem Blutwert steckt: Ein Triglycerid ist die Speicherform von Fettsäuren. Es besteht immer aus drei (“tri”) Fettsäuren, die an einem Molekül Glycerin festgebunden werden. Dadurch lassen sich Fettsäuren einfach besser speichern und transportieren.

Auch die Triglyceride werden in den Lipoproteinen mitgeführt, weil sie als fettlösliche Stoffe nicht alleine im Blut schwimmen können. Der Triglyceridspiegel gibt also den Gehalt an Fettsäuren im Blut wieder.

Kohlenhydrate können nun den Triglyceridspiegel anheben, indem sie in der Leber vermehrt in Fett umgewandelt werden. Das ist besonders dann der Fall, wenn man größere Mengen an raffinierter Stärke oder Zucker zu sich nimmt, welche mit hoher Geschwindigkeit in die Leber strömen.

Das ganze neugebildete Fett muss anschließend aus der Leber herausgeschafft werden. Also wird es mit in die Lipoproteine hineingepackt und in das Blut geschickt. Auf diese Weise erhöht sich dann der Triglyceridspiegel. In der Medizin nennt man das auch eine “Kohlenhydrat-induzierte Hypertriglyceridämie”.

Ein zweiter sehr aussagekräftiger Risikofaktor für Arteriosklerose, den wir mittlerweile kennen, ist nun das Verhältnis zwischen dem HDL-Cholesterin und dem Triglyceridspiegel: Je niedriger das HDL-Cholesterin und je höher der Triglyceridspiegel, desto stärker steigt auch hier das Risiko an. Wir werden gleich noch klären, woran das genau liegt.

Man sollte sich jetzt erst einmal folgendes kurz überlegen: Seit den 80er Jahren raten wir den Menschen zu einer fettarmen und kohlenhydratreichen Ernährung, um sie vor Arteriosklerose zu schützen. Aber wie wirkt sich diese Ernährung nun tatsächlich auf die Blutwerte aus?

Auf der einen Seite senkt sie erfolgreich den Gesamtcholesterinspiegel. Dadurch sinkt aber nicht nur das problematische LDL-Cholesterin, sondern auch das gute HDL-Cholesterin! Auf der anderen Seite kann eine kohlenhydratreiche Ernährung den Triglyceridspiegel erhöhen, wenn man zu viele raffinierte Kohlenhydrate isst.

Jetzt haben wir also einen niedrigen HDL-Cholesterinspiegel und einen hohen Triglyceridspiegel. Und damit ist unser Risiko für Arteriosklerose nicht gesunken, sondern viel mehr gestiegen! Das findet auch Professor Willett bedenklich:

“If you replace saturated fat with carbohydrate, HDL cholesterol goes down and triglycerides go up. We know that low HDL and high triglycerides actually predict higher risk of heart disease. So you be worried, that this high carbohydrate diet might actually be worse for us.”

Professor Walter Willett

Professor of Epidemiology and Nutrition at Harvard T.H. Chan School of Public Health and Professor of Medicine at Harvard Medical School

Übersetzung: “Wenn man gesättigte Fette durch Kohlenhydrate ersetzt, dann sinkt das HDL-Cholesterin und die Triglyceride steigen. Wir wissen nun aber, dass ein niedriger HDL-Wert und ein hoher Triglycerid-Wert ein höheres Risiko für Herzkrankheiten voraussagen. Daher muss man sich Sorgen machen, dass eine sehr kohlenhydratreiche Ernährung letzten Endes eher schaden, als nützen könnte.”

Damit kann man nun auch sehr gut erklären, warum die fettarme Ernährung aus heutiger Sicht nicht viel gebracht hat. Und auch, warum der Cholesterinspiegel allein, nicht immer besonders viel Aussagekraft besitzt.

LDL ist nicht gleich LDL

Inzwischen ist die Forschung außerdem noch einen großen Schritt weiter gekommen. Wir wissen jetzt, dass es sogar verschiedene Typen von LDL-Transportern gibt.

Zum einen kennen wir das LDL Typ A. Es ist sozusagen das normale LDL. Es hat sehr viel Cholesterin an Bord und bekommt dadurch eine große Form. In normaler Menge scheint es sogar relativ harmlos zu sein und zeigt erst einmal keine große Neigung, in die Blutgefäßwände einzudringen.

Das genaue Gegenteil ist das LDL Typ B. Dieses LDL hat merkwürdigerweise besonders wenig Cholesterin geladen. Dadurch erhält eine sehr kleine und dichte Form. In der Medizin nennt man es daher auch das “small, dense LDL” (sd-LDL).

Das Typ-B-LDL neigt nun dazu, sich im Blut abzusenken und kann sehr viel leichter in Gefäßwände eindringen. In Untersuchungen weisen gut zwei Drittel aller Herzinfarktpatienten höhere Werte an Typ-B-LDL auf. Hier haben wir also eine ganz heiße Spur!

Wie entsteht nun dieses Typ-B-LDL? In der Medizin ist das noch nicht vollständig aufgeklärt. Aber man hat schon einmal zwei große Probleme einkreisen können: Das erste Problem beginnt damit, wenn in der Leber verstärkt neues Fett gebildet wird.

Das Fett muss wie gesagt mit den Lipoproteinen aus der Leber herausgeschafft werden. Dazu werden die Lipoproteine mit Fettsäuren beladen, die als Triglyceride gespeichert werden. Je mehr Triglyceride so ein Lipoprotein nun enthält, desto weniger Platz bleibt für das Cholesterin übrig. Jetzt entsteht ein Lipoprotein mit einem hohen Gehalt an Triglyceriden und einem besonders niedrigen Anteil an Cholesterin. Hier noch einmal die Grafik zur Erinnerung:

Diese fettreichen Lipoproteine werden nun auf die Reise zum Fettgewebe geschickt. Dort beginnen sie damit, ihre Triglyceride abzuladen. Danach bleibt nur noch das wenige Cholesterin im Lipoprotein übrig. Dadurch schrumpft es auch in seiner Größe zusammen. Und genau jetzt entsteht ein kleines, dichtes Lipoprotein mit einem ungewöhnlich geringen Cholesteringehalt!

Ein zweiter Weg auf dem das Typ-B-LDL entstehen kann, hat mit den Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Lipoproteinen selbst zu tun. Die Lipoproteine tauschen nämlich auch untereinander ständig Stoffe aus.

Wenn vermehrt Lipoproteine mit einem hohen Gehalt an Triglyceriden im Blut unterwegs sind, dann werden diese Triglyceride auch an andere Lipoproteine abgegeben. Dadurch kann ihr eigener Fettgehalt steigen, während ihr Cholesteringehalt sinkt.

Zum Schluss passiert wieder dasselbe: Die Triglyceride werden an die Fettzellen abgegeben und es bleibt nur noch der geringe Cholesteringehalt übrig. Daraufhin nimmt das Lipoprotein eine kleinere und dichtere Form an.

Leider kann man den tatsächlichen Gehalt an Typ-B-LDL im Blut nur mit sehr aufwendigen und teuren Labortests bestimmen. Daher wird es wohl noch einige Zeit lang dauern, bis sie einmal in einer normalen Blutuntersuchung zum Standard werden.

In der Praxis ist jedenfalls ein hoher Triglyceridspiegel der beste Hinweis darauf, dass vermehrt Typ-B-LDL im Blut unterwegs sein könnte. Darüber hinaus wird ihre Entstehung durch einen niedrigen HDL-Cholesterinspiegel begünstigt. Darum ist das Verhältnis von HDL-Cholesterin zum Triglyceridspiegel auch ein sehr aussagekräftiger Risikofaktor.

Oxidiertes LDL

Nun wird es leider noch etwas komplizierter. Denn wir müssen jetzt über “oxidiertes LDL” reden. Dieses oxidierte LDL spielt gleich noch eine entscheidende Rolle, wenn wir uns den Vorgang bei der Arteriosklerose genauer anschauen. Erklären wir erst einmal, was oxidiertes LDL überhaupt ist. Dazu muss ich kurz ausholen:

Energiereiche Stoffe mit Sauerstoff zu verbrennen, ist nicht immer die sauberste Art, um Energie zu erzeugen. Auch in unserem Körper fallen im Energiestoffwechsel ständig Schadstoffe an. Dazu zählen vor allem die sogenannten freien Radikale.

Freie Radikale sind sehr reaktionsfreudige Teilchen. Sie können andere Stoffe angreifen und beschädigen. In diesem Fall spricht man auch von einer Oxidation. Zum Schutz vor freien Radikalen verfügt der Körper allerdings über ein ganzes Arsenal an Schutzstoffen: Die sogenannten Antioxidantien. Die Antioxidantien fangen die freien Radikale ein und machen sie unschädlich.

Zu den wichtigsten Antioxidantien, die wir mit der Nahrung aufnehmen können, zählen vor allem das Vitamin C, das Vitamin E und das β-Carotin. Diese Stoffe kommen zum Beispiel reichlich in Gemüse, Süßkartoffeln, Nüssen, fettreichen Seefischen und Obst vor.

Dagegen kann es in der modernen Ernährung deutlich an Antioxidantien mangeln. Der Schriftsteller Michael Pollan hatte die typisch, westliche Ernährungsweise wie folgt beschrieben:

“The diet most of us eat these days has become known as the western diet. It includes lots of meat, white flour, vegetable oils and sugar. And very little fruit, vegetables and whole grains. It’s cheap. It’s convenient. And most of it has been processed to taste really good.”

Michael Pollan

Author, journalist and professor of journalism at the UC Berkeley Graduate School of Journalism, University of California, Berkeley

Übersetzung (mit Ergänzungen): “Die meisten Menschen essen heutzutage eine Kost, die wir als die westliche Ernährungsweise (western diet) bezeichnen. Diese enthält einerseits sehr viel Fleisch, Weißmehl, raffinierte Pflanzenöle und Zucker, und andererseits sehr wenig Obst, Gemüse und Vollkorngetreide. Sie ist billig. Sie ist bequem. Und sie ist so verarbeitet, dass sie richtig gut schmeckt.”

Wenn eine Ernährung auf der einen Seite sehr viel Energie liefert, und auf der anderen Seite zu wenig Antioxidantien enthält, dann können die freien Radikale nicht mehr ausreichend unschädlich gemacht werden. Nun kann es vermehrt zu schädlichen oxidativen Vorgängen kommen. In diesem Fall spricht man dann auch von oxidativen Stress.

Die freien Radikale können vor allem die ungesättigten Fettsäuren, die in den Zellmembranen verbaut sind, oxidieren oder das Erbgut einer Zelle schädigen. Auch die Lipoproteine können angegriffen und oxidiert werden.

Das normale große LDL vom Typ A ist dabei relativ widerstandsfähig. Dagegen ist aber das Typ-B-LDL ausgesprochen anfällig für eine Oxidation! Es kann also sehr viel leichter in oxidiertes LDL verwandelt werden. Genau aus diesem Grund ist das Typ-B-LDL doppelt problematisch, wie du gleich sehen wirst.

Die Arteriosklerose

Schauen wir uns jetzt erst einmal den wesentlichen Vorgang bei der Arteriosklerose genauer an: Nach der gängigen Meinung beginnt die Arteriosklerose mit einer Beschädigung der Blutgefäßwand. Erst dadurch wird es den Lipoproteinen ermöglicht, in das Blutgefäß einzudringen.

Zu den wichtigsten Schadquellen zählen vor allem das Zigarettenrauchen, ein hoher Blutdruck und ein gestört hoher Blutzuckerspiegel, wie er bei der Insulinresistenz beziehungsweise beim Diabetes der Fall ist. Weitere Faktoren, die sich ungünstig auswirken, sind Bewegungsmangel, Übergewicht und chronischer Stress. Auch das Alter und die Genetik spielen eine gewisse Rolle. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Schadstoffen, wie die trans-Fettsäuren, welche toxisch auf die Blutgefäße wirken.

Alle diese Faktoren können dazu führen, dass die normale Funktion und Barriere der Blutgefäßwand gestört wird. Nun können sich Blutbestandteile, wie die LDL-Transporter, in die Gefäßwand verirren. Dort haben sie allerdings nichts verloren und lösen eine dauerhafte Entzündung aus.

Die Entzündung lockt nun Abwehrzellen des Immunsystems in die Gefäßwand. Die sogenannten Fresszellen beginnen damit, dass LDL aufzunehmen und zu beseitigen. Im günstigsten Fall wird die Gefäßwand dadurch wieder aufgeräumt.

Doch jetzt kommt das oxidierte LDL ins Spiel: Wenn eine Fresszelle oxidiertes LDL aufnimmt, hört sie seltsamerweise nicht mehr damit auf! Im Normalfall besteht eine Art Sättigungsmechanismus in der Fresszelle, der aber beim oxidiertem LDL nicht mehr richtig funktioniert.

Die Fresszelle stopft sich jetzt immer weiter mit dem oxidiertem LDL voll. Dabei wird sie immer größer und fetter. In der Medizin nennt man diesen Vorgang auch die Schaumzellenbildung, weil die Fresszelle regelrecht mit Cholesterin aufschäumt.

Die Schaumzellen sammeln nun unheimlich viel Cholesterin an und verwandeln sich dadurch selbst in dicke Cholesterinklumpen, die in der Gefäßwand stecken blieben. Und genau das ist der eigentliche Vorgang hinter den Cholesterinablagerungen!

Auf Dauer kommt es zu einer krankhaften Veränderung der Gefäßwand. Gesunde Zellen sterben ab und werden durch hartes Bindegewebe ersetzt. Auch das Wachstum der Muskelschichten in der Gefäßwand wird verstärkt, wodurch sich das Blutgefäß weiter verengt. Obendrein kommt es auch noch zu Calcium-Ablagerungen, die das Blutgefäß sprichwörtlich verkalken lassen und brüchig machen.

Auf diese Weise kann die Blutgefäßwand nun leicht aufreißen. Dadurch kann sich ein Cholesterinklumpen herauslösen und das verengte Blutgefäß verstopfen. Andererseits kann sich auch ein Blutgerinnsel an der verletzten Stelle bilden und ebenfalls zu einem Verschluss des Blutgefäßes führen.

Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe: Der Blutstrom wird unterbrochen und das dahinter liegende Gewebe kann nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Passiert das am Herzen, erleidet man einen Herzinfarkt.

Fall abgeschlossen?

In der Medizin ist man einen langen Weg gekommen. Zu den Zeiten von Ancel Keys konnte man praktisch nur den allgemeinen Cholesteringehalt im Blut bestimmen. Man glaubte, dass man den Cholesterinspiegel möglichst niedrig halten müsse, um sich vor Herzkrankheiten zu schützen.

Das konnte man am besten erreichen, indem man gesättigte Fette meidet und sich insgesamt streng fettarm und sehr kohlenhydratreich ernährt. Auf dieser Grundlage entstanden dann die ersten Ernährungsempfehlungen.

Einige Zeit später entdeckte man dann die Lipoproteine. Man stellte erstaunt fest, dass es nicht nur schlechtes Cholesterin (LDL), sondern auch gutes Cholesterin (HDL) gibt, welches man möglichst nicht senken sollte.

Außerdem konnte man zeigen, dass sich jede einzelne Fettsäure anders auf die verschiedenen Cholesterinwerte auswirkt. So schien von den ungesättigten Fetten überhaupt gar keine Gefahr auszugehen. Im Gegenteil: Die essenziellen Omega-3 Fettsäuren konnten der Arteriosklerose sogar aktiv entgegenwirken!

Daher wusste man eigentlich schon jetzt, dass es falsch war, alle Fettsäuren in einen Topf zu werfen und vor dem Nahrungsfett als Ganzes zu warnen. Leider hatte sich die Idee von der fettarmen Ernährung zu dieser Zeit schon hartnäckig festgesetzt. Dazu noch einmal Professor Walter Willett:

“Unfortunately there was not really solid science for these recommendations. In fact, we had lots of science telling us, that it was the type of fat, that was important. Even back in the late 1980ies. But that was pretty much swept under the rug and ignored. That was a serious mistake. Unfortunately when people repeated that enough, they just ignored the fact, that there was really no science to support it. […]

One of the consequences of condemning all types of fat is, that some of the essential fats were reduced in many people’s diets. And those are the types of fat that actually help prevent fatal heart disease from occurring.”

Professor Walter Willett

Professor of Epidemiology and Nutrition at Harvard T.H. Chan School of Public Health and Professor of Medicine at Harvard Medical School

Übersetzung (mit Ergänzungen): “Hinter diesen Empfehlungen (zur fettarmen Ernährung) stand keine solide Wissenschaft. Tatsächlich wussten wir schon seit Ende der 80er Jahre, dass allein die Art des Fettes entscheidend ist (und nicht die Gesamtmenge). Allerdings wurde das unter den Teppich gekehrt und einfach ignoriert. Das war ein sehr schwerwiegender Fehler! Nachdem man dann die (Empfehlung zur fettarmen Ernährung) nur oft genug wiederholt hatte, vergaßen die Leute irgendwann den Fakt, dass es eigentlich keine wissenschaftliche Grundlage für sie gab.

Die pauschale Verurteilung aller Fette führte außerdem dazu, dass die essenziellen Fettsäuren (wie bspw. die Omega-3 Fettsäuren) in der Ernährung vieler Menschen reduziert waren. Und es sind genau diese Fettsäuren, die dabei helfen Herzkrankheiten zu verhindern.”

Heute ist das Bild glücklicherweise sehr viel präziser geworden. Wir verstehen jetzt, dass auch zu viele (und vor allen die falschen) Kohlenhydrate eine entscheidende Rolle spielen. Sie können den Triglyceridspiegel erhöhen und das gute HDL-Cholesterin senken. Dies begünstigt die Bildung des besonders gefährlichen Typ-B-LDL. Außerdem hängt hier noch der ganze Problemkomplex der Insulinresistenz und des metabolischen Syndroms mit dran.

Das Typ-B-LDL kann sich darüber hinaus viel leichter in oxidiertes LDL verwandeln. Und es ist genau dieses oxidierte LDL, welches die Cholesterinablagerungen bei der Arteriosklerose überhaupt erst richtig in Gang bringt.

Bei der Vorbeugung von Gefäß- und Herzkrankheiten geht es also nicht nur darum, die falschen Fette zu meiden, sondern auch die falschen Kohlenhydrate. Genauso wichtig ist eine insgesamt gesunde und gemüsereiche Ernährung, die uns vor oxidativem Stress schützt. Darüber hinaus spielen viele Lebensstilfaktoren eine Rolle, die weit über die Ernährung hinaus gehen.

Im nächsten Artikel schließen wir das Thema Fett ab und versuchen praktische Schlüsse aus dem Gelernten zu ziehen. Dazu fasse ich noch einmal die wichtigsten Fakten zu den Nahrungsfetten zusammen und gebe dir viele Tipps, wie du sicher mit Fetten in der Ernährung umgehen kannst.

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