Kohlenhydrate  Teil 4

Die bittere Seite des Zuckers

Zucker galt lange Zeit als leere, aber doch harmlose Kalorien. Heute macht man ihn aber für Diabetes, Übergewicht und Herzkrankheiten verantwortlich. Um das alles besser zu verstehen, tauchen wir zuerst in den historischen Kontext ein. Danach gebe ich dir einen Überblick der aktuellen Lage und stelle ich dir führende Zuckerkritiker wie Dr. Robert Lustig vor. Zum Schluss besprechen wir, wie ein vernünftiger Umgang mit Zucker aussehen kann. Denn ganz darauf verzichten muss man gar nicht.

Bild: © HandmadePictures – stock.adobe.com (bearbeitet)

Der Zucker sitzt auf der Anklagebank. Ihm wird vorgeworfen, die Hauptursache für Diabetes zu sein. Außerdem wird er für die drastische Zunahme des Übergewichts in der Bevölkerung seit den 80er Jahren verantwortlich gemacht. Weiterhin soll er an der Entstehung von Herzkreislauferkrankungen beteiligt sein. In diesem Artikel werden wir all diesen Anschuldigungen genauer auf den Grund gehen.

Fassen wir das Grundproblem noch einmal kurz zusammen: Kristallzucker (Saccharose) ist ein Zweifachzucker. Er besteht aus einem Teil Traubenzucker (Glucose) und einem Teil Fruchtzucker (Fructose). Während der Verdauung wird der Kristallzucker in diese beiden Einfachzucker aufgespalten, welche anschließend unterschiedliche Wege im Stoffwechsel gehen.

Der Traubenzucker kann von jeder Zelle im Körper aufgenommen und zu Energie verbrannt werden. Solange wir uns nicht dauerhaft überernähren, wird der Traubenzucker auch nicht zum Problem.

Der Fruchtzucker kann dagegen nur in der Leber aufgenommen werden. Denn nur die Leber besitzt den entsprechenden Transporter (GLUT 5), welcher den Fruchtzucker aus dem Blut in eine Zelle bringen kann.

Während sich der Traubenzucker also im ganzen Körper verteilt, sammelt sich der Fruchtzucker immer in der Leber an. Die Leber beginnt nun sofort damit, den Fruchtzucker abzubauen. Eine kleine Menge Fruchtzucker kann sie problemlos zu Energie verbrennen oder in Traubenzucker umwandeln.

Wenn der Fruchtzucker allerdings in großer Menge und mit hoher Geschwindigkeit in die Leber strömt, werden diese Stoffwechselwege überfordert. Nun speichert die Leber die ganze Energie aus dem Abbau des Fruchtzuckers, indem sie neues Fett herstellt.

Dieses neu gebildete Fett muss nun aus der Leber herausgeschafft und an das Blut abgegeben werden. Allerdings kann es auf Dauer auch in der Leber stecken bleiben. Dies führt zu einer zunehmenden Verfettung der Leberzellen. Und verfettete Zellen regeln dann meistens auch ihre Insulinempfindlichkeit herunter.

Eine Insulinresistenz der Leber stellt eine massive Störung des gesamten Stoffwechsels der Kohlenhydrate dar. Der Körper schüttet nun viel zu viel Insulin aus und hat seinen Blutzuckerspiegel nicht mehr im Griff. Das fördert nicht nur die Entstehung von Typ-2-Diabetes, sondern kann auch zu Übergewicht, Bluthochdruck und hohen Blutfetten führen. Kommt dies alles zusammen, spricht man auch vom metabolischen Syndrom. Und dieses ist dann die Grundlage, auf der sich alle großen Zivilisationskrankheiten besonders früh und schnell entwickeln können. Das hatten wir bereits im letztem Artikel ausführlich besprochen.

Man könnte sich jetzt die Frage stellen, warum es in der Vergangenheit so wenige Ernährungsexperten gab, die uns ausdrücklich davor gewarnt haben. Stattdessen war sogar das Gegenteil der Fall: Der Zucker wurde als völlig harmlos eingestuft. Er liefere nicht mehr als “leere Kalorien” und sei im schlimmsten Fall nur schlecht für die Zähne. Um zu verstehen, wie wir zu dieser Beurteilung gekommen sind, muss man die ganze Geschichte kennen.

Fett versus Zucker

Die Vorwürfe, die gegen den Zucker erhoben werden, sind alles andere als neu. Schon in den 60er Jahren steht er längst im Verdacht, zu allen oben genannten Problemen zu führen.

Was den Medizinern dieser Zeit gerade am meisten Kopfzerbrechen bereitet, ist die drastische Zunahme von Herzkrankheiten. Allein in den USA sterben jedes Jahr über eine halbe Million Menschen an einem Herzinfarkt. In der Wissenschaft sucht man händeringend nach Erklärungen.

Es gibt zwei große Theorien, die sehr ernsthaft und auf Augenhöhe diskutiert werden. Das eine Lager glaubt, dass das Nahrungsfett für alle Probleme verantwortlich sei. Dagegen hat das andere Lager die raffinierten Kohlenhydrate und insbesondere den Zucker im Verdacht.

Die Fettgegner werden von dem amerikanischen Physiologen Ancel Keys angeführt, der zu den einflussreichsten Ernährungsforschern seiner Zeit gehört. Er glaubt, dass ein hoher Cholesterinspiegel die Hauptursache für Herzkrankheiten sei.

Eine fettreiche Ernährung, die viele tierische Fette enthält, kann den Cholesterinspiegel anheben. Dagegen kann man ihn durch eine fettarme Ernährung, die konsequent tierische Fette vermeidet, auch wieder senken. Darüber besteht auch heute kein Zweifel. Auf dieser Grundlage kommt man zu der Annahme, dass eine gesunde Ernährung, die vor Herzkrankheiten schützen soll, möglichst fettarm sein muss.

Außerdem sei das Nahrungsfett auch für Übergewicht verantwortlich. Ein Gramm Fett enthält 9 kcal. Dagegen liefern ein Gramm Kohlenhydrate nur 4 kcal. Durch eine fettreiche Ernährung kann man also sehr viel leichter mehr Kalorien aufnehmen, als man verbraucht. Das führt dann auf Dauer zu Übergewicht. Außerdem ist es ja auch das Fett, das schließlich im Fettgewebe landet, und nicht die Kohlenhydrate. Wer also wenig Fett an seinem Körper haben möchte, sollte demnach auch wenig Fett essen.

Das Übergewicht selbst führe schließlich zu ungünstigen Veränderungen im Stoffwechsel, was Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen verursacht. Damit hätte man auch das metabolische Syndrom erklärt.

Währenddessen sind auf der anderen Seite des Atlantiks viele britische Wissenschaftler ganz anderer Meinung. Großbritannien besaß lange Zeit ein weltumspannendes Kolonialreich. In allen Teilen der Erde machte man die Beobachtung, dass bei einheimischen Bevölkerungen die typisch westlichen Krankheiten nur sehr selten vorkamen. Die Menschen litten kaum unter Diabetes, Übergewicht, Gicht, Herzkrankheiten oder Demenz. Sobald die Einheimischen jedoch damit anfingen, westliche Ernährungsgewohnheiten zu übernehmen, entwickelten sie auch dieselben Beschwerden. Was hatte sich also in ihrer Ernährung verändert?

Das wirklich Neue, das die Europäer mitbrachten, waren raffinierte Kohlenhydrate. Weißmehl und Zucker waren nämlich aufgrund ihrer langen Haltbarkeit sehr beliebte Exportgüter. Außerdem begann man auch damit die Nahrungsmittel vor Ort stärker zu verarbeiten, wodurch der Konsum von ballaststoffreichen Lebensmitteln stark zurückging. Vor diesem Hintergrund glaubten viele britische Wissenschaftler (wie zum Beispiel der berühmte Marinearzt und Tropenmediziner Denis Parsons Burkitt), dass raffinierte Kohlenhydrate und ein Mangel an Ballaststoffen das Hauptproblem in der westlichen Ernährungsweise sein könnten.

In den 60er Jahren ist John Yudkin, Professor an der University of London, der führende Ernährungsforscher im Vereinigten Königreich. Yudkin stellt fest, dass Fruchtzucker nur in der Leber verstoffwechselt wird und dort vermehrt in Fett umgebaut werden kann. Damit wird ihm schnell klar, welche Rolle insbesondere ein überhöhter Zuckerkonsum bei westlichen Krankheiten spielen könnte. Fortan versucht er zu zeigen, dass Zucker, und nicht Fett, die Hauptursache für Herzkrankheiten sei. Damit tritt er auch in direkte Opposition zu Ancel Keys.

Bis in die 70er Jahre hinein liefern sich Keys und Yudkin einen wissenschaftlichen Schlagabtausch. Keys versucht dabei nicht nur seine eigene Position durchzusetzen, sondern auch Yudkins Zuckerkritik zu widerlegen. Das ist übrigens auch im Interesse der Zuckerindustrie, die sehr viel Geld für seine Gegenstudien bereitstellt.

Zum Schluss kann sich Ancel Keys schließlich durchsetzen. Yudkins Thesen werden als Unsinn abgetan und er selbst als Autorität lächerlich gemacht. Er wird nicht mehr zu wissenschaftlichen Versammlungen eingeladen und Fachzeitschriften weigern sich seine Forschungen zu veröffentlichen. Auch seine eigene Universität, deren Fachbereich für Ernährung, der in Europa als führend galt, er selbst aufgebaut hatte, lässt ihn schließlich fallen.

Mit Yudkin selbst wird auch die Kritik am Zucker begraben. Für die nächsten 30 Jahre kann sich kein Wissenschaftler mehr an das Zuckerthema herantrauen ohne dabei seine Seriosität und Karriere aufs Spiel zu setzen. Hier ist ein kurzer Ausschnitt aus der Dokumentation “Sugar Coated” von 2015, der das Geschehen gut zusammenfasst:

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Im April 2016 hat die englische Zeitung The Guardian einen langen Artikel mit dem Titel “The Sugar Conspiracy” veröffentlicht, in dem die ganze Geschichte gründlich aufgearbeitet wird und den ich sehr empfehlen kann. Wenn du magst, kannst du ihn dir gleich hier als Audioversion vorlesen lassen.

The Sugar Conspiracy

von The Guardian Longread | By Ian Leslie (43:49 Min.|40,4 MB)

Als 1980 die ersten staatlichen Ernährungsempfehlungen (Dietary Guidelines) in den USA erscheinen, ist die fettarme Ernährung längst zum wissenschaftlichen Konsens geworden. Der Bevölkerung wird ab jetzt empfohlen, sich möglichst fettarm und dafür kohlenhydratreich zu ernähren. Jegliche Kritik am Zucker ist ausgeräumt und er wird schon bald von der amerikanischen Lebensmittelbehörde (FDA) als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Übrigens kamen die Experten, die von der FDA mit der Beurteilung des Zuckers beauftragt wurden, selbst aus der Zuckerindustrie. Doch das scheint niemanden zu stören… Zucker gilt nun offiziell als leere, aber gesundheitlich harmlose Kalorien.

Was sich in den USA abspielt, ist auch für uns von größter Bedeutung. Denn diese Dietary Guidelines werden jetzt auch in Europa als Stand der Wissenschaft akzeptiert und als eigene Ernährungsempfehlungen übernommen. Sie werden bis heute unsere Vorstellung von gesunder Ernährung bestimmen.

Auch unsere Lebensmittel verändern sich. Die Lebensmittelindustrie unternimmt größte Anstrengungen, um den Fettgehalt ihrer Produkte zu senken, damit sie gemäß den neuen Leitlinien als gesund gelten können. Dafür wird dann in der Regel mehr Zucker zugesetzt, damit das Produkt geschmacklich attraktiv bleibt.

Wenn wir aus heutiger Sicht auf die Dinge zurückblicken, ist unter dem Strich folgendes passiert: Die Menschen haben den Fettanteil in ihrer Ernährung deutlich gesenkt. Dafür konsumieren sie jetzt umso mehr raffinierte Kohlenhydrate. Insbesondere der Zuckeranteil ist dabei kräftig gestiegen. Am meisten haben dazu gesüßte Getränke (Softdrinks) beigetragen.

Überraschenderweise (oder auch nicht) erleben wir dann in den 80er Jahren den Beginn einer weltweiten und epidemieartigen Ausbreitung von Übergewicht und Diabetes, die erschreckende Ausmaße annehmen wird…

Die Wiederbelebung der Zuckerkritik

Robert Lustig ist Medizinprofessor an der University of California in San Francisco. Er ist von Hause aus Neuroendokrinologe (Facharzt für das Nerven- und Hormonsystem) und hat sich auf die Therapie von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter spezialisiert.

Professor Lustig zählt heute zu den führenden Zuckerkritikern. Im Jahr 2009 wurde er durch seine Vorlesung “Sugar: The Bitter Truth” bekannt, die auf Youtube zu finden ist und bereits über 10 Millionen mal aufgerufen wurde. Darin kommt er zu den gleichen Schlüssen, wie schon John Yudkin gut 30 Jahre vor ihm. Allerdings haben wir heute längst mit den Folgen zu kämpfen, vor denen Yudkin eindringlich gewarnt hatte. Hier ist der Vortrag, falls du einmal reinschauen magst.

Tipp: Wenn du nicht so gut Englisch verstehst, kannst du im Videomenü auch von Hand geschriebene deutsche Untertitel einschalten. Da hat jemand fantastische Übersetzungsarbeit geleistet. Vielen Dank dafür!

YouTube

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Als Lustig in den 80er Jahren Medizin studierte, erlebte er den Beginn der großen Übergewichts- und Diabeteswelle selbst mit. Der Typ-2-Diabetes galt bis dahin noch als eine typische Alterserscheinung, mit der vielleicht ab 70 Jahren zu rechnen war. Daher nannte man ihn auch immer den “Altersdiabetes”.

Doch das sollte sich rasch ändern. Mittlerweile tritt der Typ-2-Diabetes in allen Altersgruppen auf, selbst bei Kindern und Jugendlichen. Genauso ungewöhnlich ist die massive Zunahme von Fettlebererkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das bereitete vor allem den Kinderärzten großes Kopfzerbrechen.

Bei der Suche nach den Ursachen für diese Entwicklung, stieß Professor Lustig schließlich auf die besondere Eigenschaft des Zuckers, beziehungsweise dessen Fruchtzuckeranteils, der ihn nicht mehr loslassen sollte: Der Fruchtzucker wird ganz ähnlich wie Alkohol in der Leber abgebaut. Kann es möglich sein, dass er dann auch dieselben Krankheiten verursacht, wie Leberverfettung und Diabetes, wenn er im Übermaß konsumiert wird?

“There are two diseases now, that occurred in childhood in the last 35 years, that had never been seen in children before: Type 2 diabetes and fatty liver disease. Prior to 1980 type 2 diabetes and fatty liver disease where the two diseases, that were very specific to alcohol consumption. Alcohol causes type 2 diabetes. Alcohol causes fatty liver disease. And now all the sudden we have children with exact those two diseases.

Well, it turns out, that sugar is metabolized in the liver in the exact same way as alcohol. Sugar lays down that same liver fat, and so we have this disease called nonalcoholic fatty liver disease.

20 % of all children and 40 % of all obese children now have this disease. Children are getting the diseases of alcohol without alcohol, because they just use a different substrate. Sugar is now being supplied in record amounts and kids have immediate access to it everywhere they go.”

Professor Robert Lustig

Professor of Pediatrics in the Division of Endocrinology at UCSF. Director of the Weight Assessment for Teen and Child Health Program. University of California, San Francisco

Übersetzung (mit Ergänzungen): “Es gibt heute zwei Krankheiten, die seit den letzten 35 Jahren im Kindesalter auftreten, die man nie zuvor bei Kindern beobachtet hatte: Der Typ-2-Diabetes und die Fettlebererkrankung. Diese Erkrankungen waren vor den 80er Jahren noch sehr spezifisch für Alkoholkonsum. Alkohol verursacht Typ-2-Diabetes. Alkohol verursacht die Fettleber. Und nun sehen wir ganz plötzlich Kinder mit genau diesen Krankheiten.

Jetzt stellt sich heraus, dass Zucker auf die exakt gleiche Weise wie Alkohol in der Leber verstoffwechselt wird. Zucker erzeugt die gleichen Fettablagerungen in der Leber. Und das führt schließlich zu einer Krankheit, die sich nichtalkoholische Fettleber nennt.

Mittlerweile leiden 20 % aller Kinder und sogar 40 % aller schwer übergewichtigen Kinder unter dieser Erkrankung. Kinder bekommen die Krankheiten des Alkohols, weil sie ein ähnliches Substrat verwenden (nämlich Zucker). Zucker wird heute in Rekordmengen produziert und bereitgestellt. Und Kinder haben überall unmittelbaren Zugang dazu.”

Wenn die Leber erst einmal verfettet ist, dann entstehen Störungen im Stoffwechsel, die wir als das metabolische Syndrom kennengelernt haben. Anders als zu Yudkins Zeiten, verstehen wir inzwischen sehr viel besser, wie sich dadurch auch das Risiko für Herzkrankheiten erhöht. Dazu noch einmal Professor Lustig:

“The way the liver metabolizes fructose is the same way the liver metabolizes alcohol: It gets turned into liver fat! And when liver fat gets laid down, the liver works less well, causes that phenomenon called insulin resistance. When that happens, your insulin levels go up. That drives energy into fat cells, causing weight gain, and it also causes coronary arteries to increase their muscular size, that is increasing your risk for heart attack. It also taxes your pancreas, ultimately generating type 2 diabetes. It causes hypertriglyceridemia, which then leads to arteriosclerotic plaques. All the chronic diseases we’re talking about are derived from fructose is being turned into liver fat… when fructose is provided in excess!”

Professor Robert Lustig

Professor of Pediatrics in the Division of Endocrinology at UCSF. Director of the Weight Assessment for Teen and Child Health Program, University of California, San Francisco

Übersetzung (mit Ergänzungen): “Die Leber verstoffwechselt Fruchtzucker genauso wie Alkohol: Er wird in Fett umgewandelt. Wenn das Fett in der Leber stecken bleibt, entsteht dieses Phänomen, das wir Insulinresistenz nennen. Wenn das passiert, steigt (dauerhaft) der Insulinspiegel. Dieser bewirkt die Speicherung von Energie im Fettgewebe, was zur Gewichtszunahme führt. Außerdem verdicken sich die Arterienwände am Herzen, was das Risiko für einen Herzinfarkt erhöht. Die Bauchspeicheldrüse wird stärker belastet, was letzten Endes den Typ-2-Diabetes bedingt. Der Triglyceridspiegel steigt, was arteriosklerotische Ablagerungen an den Gefäßwänden verursacht. Wenn Fruchtzucker in exzessiver Menge zugeführt und dann in der Leber in Fett umgewandelt wird, leiten sich daraus alle chronischen Krankheiten ab, über die wir gesprochen haben.”
Im letzten Satz steckt eine wichtige Information: Es kommt auf die Menge an! Fruchtzucker wird erst dann zum Problem, wenn er in zu großer Menge und mit zu hoher Geschwindigkeit in die Leber strömt. Und das ist ganz besonders bei gesüßten Getränken der Fall.

Hauptproblem: Softdrinks!

In den letzten 30 Jahren ist der Zuckerkonsum vor allem durch gesüßte Getränke gestiegen. Rund die Hälfte der Zuckermenge, welche die meisten Mensch am Tag zu sich nehmen, kommt heute aus Softdrinks, Limonaden, Cola, Energydrinks, Eistees, Fruchtsäften oder gesüßten Kaffeegetränken.

Im Grunde nimmt man hier eine große Menge Zucker und löst sie in Flüssigkeit auf. Auf diese Weise rutscht der Zucker ungebremst durch den Magen und schlägt in geballter Ladung im Darm auf, wo er blitzschnell verdaut und aufgenommen wird. Anschließend rollt eine Lawine aus Fruchtzucker auf die Leber zu…

Mittlerweile ist der Zusammenhang zwischen gesüßten Getränken und dem Diabetes nicht mehr zu übersehen und in der Wissenschaft gut belegt. Dazu Professor Walter Willett von der Harvard School of Public Health:

“Sugar sweetened beverages seem to be a particular problem, that we have seen strongly related to risk of type 2 diabetes. A meta-analysis showing for every additional sugar sweetened beverage per day, there was a 26 % higher risk of type 2 diabetes. That’s bad enough, but many people are having three, four, five or six servings a day, which is really bumping up the diabetes risk.”
Professor Walter Willett

Professor of Epidemiology and Nutrition at Harvard T.H. Chan School of Public Health and Professor of Medicine at Harvard Medical School

Übersetzung: “Zuckergesüßte Getränke scheinen ein ganz besonderes Problem darzustellen. Hier haben wir einen starken Zusammenhang mit dem Risiko für Typ-2-Diabetes beobachtet. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass schon bei einem zuckerreichen Getränk am Tag, das Risiko für Typ-2-Diabetes um 26 % ansteigt. Das ist schon schlimm genug, doch viele Menschen nehmen täglich drei bis sechs Portionen von diesen Getränken zu sich. Das treibt das Diabetesrisiko enorm in die Höhe.”
Auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Softdrinks strikt zu meiden und hat ihre Empfehlung für den Zuckerkonsum erst vor kurzem deutlich gesenkt. Kinder und Erwachsene sollten auf keinen Fall mehr als 10 % ihrer Gesamtkalorien über zugesetzten Zucker aufnehmen (etwa 12 Teelöffel). Wer seinen Zuckerverbrauch sogar auf 5 % reduziert (also 6 Teelöffel) kann mit weiteren gesundheitlichen Vorteilen rechnen. Außerdem rät die WHO dazu, politische Maßnahmen zu ergreifen, um den Zuckerkonsum in der Bevölkerung zu senken.

Vernünftiger Umgang mit Zucker

Im Grunde ist es mit dem Zucker genauso wie mit dem Alkohol. Alkohol ist ein Genussgift, dessen Wirkung völlig von der Dosis abhängig ist. Man kann problemlos ein gepflegtes Glas Bier am Tag genießen, ohne dabei jemals krank oder abhängig zu werden. Mit einer Flasche Schnaps am Tag klappt das jedoch nicht!

Wie viel Zucker darf man sich nun erlauben ohne gesundheitliche Risiken einzugehen? Die WHO empfiehlt, wie gesagt, den Zuckerverbrauch auf 6 bis 12 Teelöffel am Tag zu begrenzen. Das entspricht etwa 25 bis 50 g. Diese Menge kann man praktisch nur erreichen, wenn man gesüßte Getränke strikt meidet und zuckerreiche Fertigprodukte stark einschränkt.

Es geht also nicht darum, komplett auf Zucker zu verzichten. Sogar Professor Lustig fordert das nicht. Wer gerne Nachtisch isst, soll auch seinen Nachtisch haben. Aber bitte nur einmal am Tag! Und nicht zu jeder Mahlzeit.

Viele Menschen beginnen ihren Tag schon mit einer Schüssel gezuckerter Frühstücksflocken oder schmieren sich süßen Aufstrich auf die Brötchen. Dazu kommen zwei Teelöffel Zucker in den Kaffee. Schon jetzt ist das empfohlene untere Tageslimit von 25 g meistens erreicht. Vormittags geht es dann aber weiter mit einem süßen Snack vom Bäcker. Zum Beispiel ein Schokocroissant und eine zweite Tasse Kaffee (mit Zucker). Zum Mittagessen trinkt man ein großes Glas Limo oder Cola. Danach gibt es ein Dessert. Nachmittags isst man ein paar Kekse oder ein Stück Kuchen zum Kaffee (mit Zucker). Und Abends werden dann die Süßigkeiten aus dem Schrank geholt… Auf diese Weise kommen viele Menschen problemlos auf einen Zuckerverbrauch von weit über 100 g am Tag!

Wer jetzt damit anfangen möchte Zucker einzusparen, sollte zuerst bei gesüßten Getränken (Softdrinks, Cola, Limos, Energydrinks, Eistees usw.) beginnen. Von ihnen geht das größte Risiko für die Gesundheit aus und sollten daher am besten ganz gemieden werden.

Die nächste große Zuckerquelle sind billige Süßigkeiten und andere Fertigprodukte, in denen mehr Zucker versteckt sein kann, als man denkt. Schon ein Becher Fruchtjoghurt enthält oft satte 20 g Zucker! Man sollte immer einen Blick auf die Nährwertangaben von abgepackten Lebensmitteln werfen und auch diesen versteckten Zucker möglichst meiden.

Man kann Zucker auch sehr gut durch andere süß schmeckende Stoffe austauschen, wenn man etwas Süße für seinen Kaffee oder ein Dessert benötigt. Ich kann ganz besonders den natürlichen Zuckeralkohol Xylit empfehlen, der umgangssprachlich auch Birkenzucker genannt wird.

Xylit wird aus Pflanzenfasern gewonnen, die den sogenannten Holzzucker Xylose enthalten. Es weist ähnliche Eigenschaften wie normaler Kristallzucker auf und besitzt die gleiche Süßkraft. Allerdings ist Xylit im Gegensatz zum Zucker ausgesprochen zahnfreundlich, da die Kariesbakterien nichts damit anfangen können. Außerdem beeinflusst Xylit den Blutzucker- und Insulinspiegel nur minimal und belastet auch die Leber nur gering, da es deutlich kalorienärmer ist (2,4 kcal/g).

Xylit gilt für den Menschen als unbedenklich und kommt auch als natürliches Zwischenprodukt im Stoffwechsel vor. Allerdings kann die Aufnahme im Darm begrenzt sein. Daher kann Xylit bei überhöhter Zufuhr eine abführende Wirkung entfalten. Die meisten Menschen können jedoch eine Menge von 50 bis 70 g (also 5 bis 7 Esslöffel) am Tag problemlos vertragen.

Wenn du Xylit ausprobieren möchtest, mache ich an dieser Stelle gerne einmal Werbung für das Qualitätsprodukt Xucker des gleichnamigen Herstellers, welches ich mittlerweile auch selbst regelmäßig kaufe.

Der einzige Haken am Xylit mag der höhere Preis sein. Ein Kilo Xylit kostet rund 10 Euro, also etwa zehnmal mehr als normaler Zucker. Ich kann damit gut leben, weil man eher dazu geneigt ist, sparsam mit der kostbaren Süße umzugehen.

Süßstoffe als Alternative?

Wie sieht es eigentlich mit künstlichen Süßstoffen aus, die meistens überhaupt gar keine Kalorien enthalten? Sind sie nicht sogar die bessere Alternative? Ich kenne leider keinen Experten, der diese Frage zur Zeit sicher beantworten kann. Selbst Professor Christopher Gardner von der Universität Stanford, der vor wenigen Jahren die Position der American Heart Association zu diesem Thema formulieren sollte, tat sich mit dieser Aufgabe schwer. Die Datenlage ist leider sehr unübersichtlich und schwach, was gesundheitliche Risiken angeht.

Es gibt jedoch gute Hinweise darauf, dass sich der Körper die Kalorien, die ihm durch die Süßstoffe vorgegaukelt werden, im Laufe des Tages wieder zurückholt. In Untersuchungen steigert eine erhöhte Süßstoffzufuhr bei vielen Menschen den Appetit, wodurch sie dann mehr essen und sogar mehr Kalorien aufnehmen als vorher. Diesen Effekt konnte man am stärksten bei Lightgetränken beobachten. Darüber hinaus scheinen sich die meisten Süßstoffe sehr negativ auf die Darmflora auszuwirken.

Anstatt zu versuchen, den Körper auszutricksen (was meistens nach hinten losgeht), sollten wir lieber den ehrlichen Weg gehen und einfach weniger süß essen. Übrigens nimmt dabei die Empfindlichkeit gegenüber dem süßen Geschmack deutlich zu (in der Regel schon innerhalb von zwei Wochen). Wer sich eine Zeit lang zuckerarm ernährt hat, wird sich wundern, wie unerträglich süß Softdrinks und die meisten Süßigkeiten auf einmal schmecken.

Und was ist mit Obst?

Sehr häufig werde ich auch gefragt, wie es mit dem Obst aussieht. Denn auch reifes, süßes Obst stellt schließlich eine Quelle für Fruchtzucker dar. Sollte man es daher besser auch meiden?

Hier kann man ganz klar Entwarnung geben. Der Fruchtzuckergehalt von Obst ist gar nicht mal so hoch. Außerdem handelt es sich um ein festes Lebensmittel, das gekaut werden muss, eine Weile im Magen liegen bleibt und anschließend langsam verdaut wird. Es sickert also eine kleine Menge Fruchtzucker nach und nach in das Blut. Damit wird eine gesunde Leber problemlos fertig.

Dagegen sind Obstsäfte und Fruchtsmoothies wieder ein ganz anderer Fall. Kaum ein Mensch kommt auf die Idee, vier große Orangen hintereinander zu essen. Dagegen ist es aber problemlos möglich, aus diesen Orangen ein großes Glas Saft zu pressen und in wenigen Zügen zu trinken. Damit nimmt man dann auch auf einen Schlag den Fruchtzuckergehalt von vier Orangen auf, welcher wieder mit überhöhter Geschwindigkeit in die Leber strömt.

Blickpunkt Fructoseintoleranz: Mit einem ganz anderen Problem haben wir es übrigens bei der Fruchtzucker-Unverträglichkeit (Fructoseintoleranz) zu tun. Hier kann der Fruchtzucker nicht ausreichend im Darm aufgenommen werden (ähnlich wie bei der Milchzucker-Unverträglichkeit) und wandert daher unverdaut in tiefere Darmabschnitte. Dort wird er von den Darmbakterien vergoren, was zu einer ganzen Reihe von unangenehmen Verdauungsbeschwerden führt.

Außerdem kann die Aufnahme der Aminosäure Tryptophan erheblich gestört werden und einen Mangel verursachen. Das Tryptophan ist der Ausgangsstoff aus dem das “Gute-Laune-Hormon” Serotonin gebildet wird. Daher kann die Fruchtzucker-Unverträglichkeit sogar zu einer depressiven Verstimmung führen!

Übrigens ist jeder dritte Mensch von einer Fruchtzucker-Unverträglichkeit betroffen und reagiert meist schon mit Symptomen ab einer Menge von 25 g Fruchtzucker. Daher sollte man in diesem Fall nicht nur den Zucker strikt meiden, sondern sich auch beim Obst zurückhalten. Eine Fruchtzucker-Unverträglichkeit kann der Hausarzt mit einem einfachen Test feststellen.

Gute Dokus und Bücher 

In den Medien kommt man am Thema Zucker kaum mehr vorbei und man kann davon ausgehen, dass es in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen wird. In den letzten Jahren sind auch eine Reihe erstklassiger Dokumentation erschienen, von denen ich ganz besonders den Film “Fed Up” von 2014 empfehlen möchte. Die Doku kann man mittlerweile auch in deutscher Sprache auf Amazon Video und Youtube leihen oder kaufen.

Ein weiterer guter Film ist “Sugar Coated” (2015), der vor einer Weile auf Arte unter dem Titel “Die große Zuckerlüge” ausgestrahlt wurde (Tipp: Einfach mal danach googeln).

Außerdem ist “That Sugar Film” (2014) vom australischen Filmemacher Damon Gameau sehr unterhaltsam gemacht (deutscher Titel “Voll verzuckert”). Auch diese Doku kann man in Deutsch auf Amazon Video und Youtube kaufen oder leihen.

Auch Professor Lustigs Buch “Fat Chance” ist sehr lesenswert und wurde erst vor kurzem endlich auch ins Deutsche übersetzt (“Die bittere Wahrheit über Zucker”). Du findest es in meinen Lesetipps.

Im nächsten Artikel beschäftigen wir uns ausführlich mit dem Thema Übergewicht. Auch hier spielen der Zucker und andere raffinierte Kohlenhydrate eine zentrale Rolle. Wir werden allerdings auch andere wichtige Ursachen, wie zum Beispiel die Darmflora, besprechen.

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